Beteiligungen effizient zu verwalten und zu steuern gehört zu den beständigen Herausforderungen moderner Unternehmensführung. In Konzernen geht es dabei nicht selten um eine dreistellige oder gar noch größere Anzahl von Unternehmen. Die Komplexität wird dadurch erhöht, dass die Tochterunternehmen in unterschiedlichen Rechtssystemen angesiedelt, in den verschiedensten Gesellschaftsformen organisiert und unterschiedliche Beteiligungsquoten zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus sind Erfassung und Freigabe von Informationen zu den einzelnen Beteiligungsgesellschaften wesentlich.
Veröffentlicht im S@pport, Ausgabe 1-2/2021, von Monika Pürsing
Das Beteiligungs-Portfolio des Volkswagen Konzerns umfasst heute rund 1.500 aktive Beteiligungen – daneben rund 1.300 inaktive (historische) Beteiligungen – sowie 1.100 externe Gesellschaften mit Beteiligungsrelevanz. Dies allein ist schon ein höchst komplexes Gebilde. Zu diesen fast 4.000 Gesellschaften muss das Legal Entity Management noch den Überblick über 75 Vereine und Verbände, 300 Berichtseinheiten und 3.300 Wirtschaftsprüfungsgesellschaften behalten.
Natürlich war das nicht immer so. Die Beteiligungsverwaltung hat sich bei VW parallel zum Wachstum des Konzerns entwickelt. Nachdem in den 1960er, 70er und 80er Jahren ein eigener Geschäftsbereich dafür verantwortlich zeichnete, wurde das Beteiligungscontrolling im Zuge der Übernahmen von Seat und Škoda im Rahmen von Verschlankungsmaßnahmen als eigenständiger Geschäftsbereich aufgelöst. In der Folgezeit zeigte sich jedoch, dass ein einheitliches Reporting über die Beteiligungsstrukturen im Volkswagen Konzern nicht mehr im wünschenswerten Maß gegeben war.
Daher wurde in den 90er Jahren wieder ein Beteiligungsmanagement aufgebaut. Es war in der Konzern-Rechtsabteilung angesiedelt und erhielt den Auftrag, eine Datenbank einzurichten. So entstand das System „Betis“ (Beteiligungsinformationssystem), eine selbst entwickelte Oracle-Datenbank. Durch Betis gelang es, innerhalb des Konzerns einen Qualitätsanspruch in Sachen Datenmanagement durchzusetzen. Alle Beteiligten, die etwas mit Gesellschaf-ten zu tun hatten – darunter auch der Finanzbereich mit dem Gesellschaftsverzeichnis und der Anteilsbesitzliste –, haben ihre Daten mit Betis abgeglichen. Insgesamt waren am Prozess des Beteiligungsmanagements und der Pflege der Gesellschaftsdaten mehrere Bereiche des Konzerns – also Teilkonzerne und Marken sowie weitere größere Gesellschaften – beteiligt.
Dabei waren die Berichtslinien nicht immer eindeutig, jeder Fachbereich hatte seine eigenen Berichtswege – auch die Rechts- und die Finanzabteilung. Es gab keine bereichsübergreifenden Zuständigkeiten, keine einheitlichen Ansprechpartner für die Gründung, den Erwerb oder die Änderung von Gesellschaften. Daten wurden mehrfach gepflegt, vorgehalten und genutzt. So wurden die Daten für das Gesellschaftsverzeichnis quartalsweise gesammelt. Die Anteilsbesitzliste wurde mithilfe der Daten aus dem Gesellschaftsverzeichnis und aus Betis monatlich parallel gepflegt. Am Jahresende war dann regelmäßig ein erheblicher Aufwand notwendig, um durch manuelle Abgleiche die Einheitlichkeit, Konsistenz, Aktualität und Vollständigkeit der Daten sicherzustellen.
Aufgrund des hohen manuellen Aufwands war die Qualität der Daten insgesamt zufriedenstellend. Der manuelle Abgleich ist nicht nur einmal erfolgt, sondern in der Hochzeit des Jahresabschlusses fast täglich. Da das Gesellschaftsverzeichnis quartalsweise erstellt wurde, gab es auch dort immer wieder Arbeitsspitzen. Alles in allem sah sich VW gut aufgestellt. Das Hauptproblem bestand jedoch darin, dass keine Einheitlichkeit bei der Schreibweise der Gesellschaften und Rechtsformen gegeben war.
20 Jahre nach der Einführung von Betis startete das Projekt „Optimierung der Prozesse und Systeme im Beteiligungsmanagement“. Nach einer intensiv geführten Diskussion über die an ein neues System zu stellenden Anforderungen reifte die Einsicht, es sei nicht sinnvoll, Betis weiterzuentwickeln. Vielmehr sollte auf dem Markt eine Software angeschafft und eingeführt werden.
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Hauptziel des Projekts ist der Aufbau einer einheitlichen Eingabeplattform für alle beteiligungsrelevanten Informationen. Das Ergebnis: „LEMI – Legal Entity Management Information“. Mit LEMI – dabei handelt es sich um die von VW verwendete Systembezeichnung für Zetvisions CIM – sollen workflowbasierte, systemgestützte Prozesse mit getrennter Dateneingabe und -freigabe Einzug halten – und dies über mehrere dezentrale sowie zentrale Fachbereiche hinweg. Die Datenerfassung soll dezentral bei den Marken, Teilkonzernen und größeren Gesellschaften durch die jeweils zuständigen Geschäftsbereiche erfolgen.
Dabei sollen„Rollen“ die Verantwortlichkeiten und Zugriffsrechte definieren, ein revisionssicheres Mehr-Augen-Prinzip Teil des Freigabeprozesses in LEMI sein. Manuelle Abgleiche sollen komplett entfallen, um den Aufwand zu reduzieren und Übertragungsfehler zu verringern. Anteilsbesitzliste und Gesellschaftsverzeichnis stellen besondere Herausforderungen dar. Denn sämtliche 1.500 aktiven Gesellschaften plus 1.100 ehemalige Gesellschaften müssen aus LEMI heraus erstellt werden – zusätzlich Gesellschaften für berichtspflichtige Teilkonzerne wie MAN, Scania, AUDI und Porsche.
Das per Schnittstelle an LEMI angedockte Zentrale Strukturdatenmanagement (ZSM) als VW-interner Single Point of Truth (SPoT) fungiert als Drehschreibe für die automatisierte Verteilung von Beteiligungsstammdaten für alle Applikationen im Volkswagen Konzern. Heute werden Beteiligungsmanagement-Informationen dezentral von der jeweiligen Finanz- oder Rechtsabteilung erfasst, zentral geprüft und freigegeben und gehen dann an die drei beteiligten Stellen:
Die unikale – also nur einmal vorhandene – Datenhaltung und -pflege in einer Anwendung mit allen relevanten Inhalten gehört zu den drei wesentlichen Benefits der Einführung von LEMI. Darüber hinaus können die manuellen Prozesse wie E-Mail-Kommunikation oder Dokumente als Anlagen durch systemgestützte, workflowbasierte Prozesse ersetzt werden.
Schließlich sorgt das an die Organisationsstruktur angelehnte Rechte- und Rollenkonzept
Als Folge dieser drei Benefits können heute die Anteilsbesitzliste und das Gesellschaftsverzeichnis systembasiert, auf Basis unikaler Gesellschaftsdaten erstellt werden. LEMI verfügt als Single Point of Truth über nur eine ausgehende Schnittstelle zum zentralen Strukturdatenmanagement, das als Drehscheibe für alle Applikationen fungiert. Dazu zählen unter anderem das Vollkonsolidierungs und Unternehmenssteuerungssystem, die zentrale Real Estate Asset Database sowie globale Org-Systeme.
„So ist es mit LEMI gelungen, die historischen Insellösungen und die selbst entwickelte Beteiligungsmanagement-Software abzulösen und damit auch im Sinne des Konzerngedankens ein übergreifendes gemeinschaftliches Denken und Handeln zu unterstützen.“
Für die unter mehreren Anbietern ausgewählte Softwarelösung Zetvisions CIM waren verschiedene Kriterien ausschlaggebend. Dazu gehören die Abbildung aller Basisdaten bereits im CIM-Standard, die an der Rechtsform orientierte Erfassung von Kapitalien, das dedizierte Rechte- und Rollenkonzept, workflow-gestützte Prozesse, Validierungen und das Dokumentenmanagement. Dass CIM eine von Wirtschaftsprüfern zertifizierte Software ist, nahtlos in die SAP-Landschaft von VW passt und zudem VW-Spezifika abbilden kann, waren weitere Aspekte. Besonders wichtig war zudem die Fußnotengenerierung. Im Anteilsbesitz werden bei VW circa 450 Fußnoten vergeben, beispielsweise bei Neugründung oder Neuerwerb, wenn eine Gesellschaft ruhend wird oder ein Ergebnisabführungsvertrag vorliegt. Ein ergänzendes wichtiges Kriterium war die historische Abbildung von Veränderungen, um im Zeitablauf zurückzugehen den Lebenslauf einer Gesellschaft oder auch den Konzern insgesamt zu einem früheren Zeitpunkt betrachten zu können.
Seit dem Go-live von LEMI werden über dieses System nicht nur Konzerngesellschaften, sondern auch Mandate sowie externe Gesellschaften und VW-Shareholder verwaltet. Zur Bearbeitung gibt es jeweils verschiedene „Rollen“; beispielsweise können Konzernbeteiligungen von einer Rechts- oder einer Finanz-Rolle bearbeitet werden. Gleiches gilt für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Berichtseinheiten, steuerliche Betriebsstätten und Vereine/Verbände. Mit LEMI verfügt der VW-Konzern heute über ein System, das alle für das Legal Entity Management relevanten Daten der Beteiligungen, externen Gesellschaften, Vereine und Verbände, Berichtseinheiten und WP-Gesellschaften umfasst.