Mai 2017 stellte das britische Wirtschaftsmagazin The Economist fest: „The world’s most valuable resource is no longer oil, but data.“ Wenn Daten das neue Öl sind, stellt sich nicht zuletzt die Frage, inwieweit die Unternehmen nicht nur im technischen, sondern auch im kulturellen Sinne darauf vorbereitet sind, mit dem Vermögenswert Daten wirkungsvoll umgehen zu können.
Im Mai 2017 stellte das britische Wirtschaftsmagazin The Economist fest: „The world’s most valuable resource is no longer oil, but data.“ Wenn Daten das neue Öl sind, stellt sich nicht zuletzt die Frage, inwieweit die Unternehmen nicht nur im technischen, sondern auch im kulturellen Sinne darauf vorbereitet sind, mit dem Vermögenswert Daten wirkungsvoll umgehen zu können.
Datenkultur klingt auf den ersten Blick vielleicht gewöhnungsbedürftig. Allerdings, so Dr. Carsten Bange, CEO Business Application Research Center (BARC), in der ersten Folge seines „The Data Culture Podcast“, habe jedes Unternehmen eine Datenkultur – selbst dann, wenn Daten ignoriert würden. Die Frage ist also nicht, überhaupt eine Datenkultur herzustellen, sondern es geht darum, eine datengetriebene Kultur so zu entwickeln, dass Daten „Handlungen und Entscheidungen auf allen Ebenen der Organisation bis hin zum Geschäftsmodell des Unternehmens wesentlich beeinflussen“. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Donald Farmer, früher unter anderem bei Microsoft, heute weltweit tätiger unabhängiger Berater für Data and Analytics Strategy, hat in vielen Unternehmen beobachtet, dass Entscheidungen zwar auf Basis zahlreicher Informationen getroffen werden, aber – wenn überhaupt – auf nur wenigen Daten fußen. „One of the most important things you can do in the data culture is actually use data“, betont er. Klingt einfach. Die Ursache, warum sich viele damit schwertun, sieht Farmer in der Datenkultur und der einer systematischen Nutzung von Daten immanenten Rechenschaftspflicht:
„Data without analysis is a wasted asset“, betont Donald Farmer. Ohne Analysen seien Daten wertlos. Dass diese Analysen wiederum von der Qualität der Daten abhängen, leuchtet unmittelbar ein. Wenn nun aber der Zugang zu Daten durch deren Haltung in Silos erschwert und darüber hinaus ihre Qualität vielfach mangelhaft ist, dann lässt das für die Analysen wenig Gutes erwarten; ebenso wenig für die Entscheidungen, die auf diesen Analysen basieren. In einer datengetriebenen Kultur Daten in den Mittelpunkt der Entscheidungsfindung zu rücken, ist daher wichtig und richtig. Die Qualität der Daten ist und bleibt dabei eine der wesentlichen Herausforderungen, um tatsächlich eine verbesserte Entscheidungsfindung zu erreichen. Und kein Unternehmen – ganz gleich welcher Größe und Branche – soll meinen, es sei davon nicht betroffen. Denn, um noch einmal Farmer zu zitieren: „Every business is a data business.“
Allerdings tut sich etwas in den Unternehmen. Laut dem Data, BI & Analytics Trend Monitor 2022 von BARC hat die Etablierung einer datengesteuerten Kultur weiter an Bedeutung gewonnen und belegt nun Rang zwei unter den wichtigsten Trends für Datenmanagement, Business Intelligence und Analytics. 2019 hatte BARC erstmals nach der Bedeutung einer datengetriebenen Kultur gefragt. Auf Anhieb landete das Thema auf Platz fünf unter den 20 wichtigsten Trends, 2020 und 2021 kletterte es bereits auf Platz drei und nun eben auf den zweiten Platz. Allerdings gibt es Unterschiede in der Sichtweise je nach Unternehmensgröße, Branche und geografischen Region. Auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht wichtig) bis 10 (sehr wichtig) liegt die datengetriebene Kultur in Nord- und Südamerika bei 7,7, in Asia-Pacific bei 7,4 und in Europa bei 6,4. Innerhalb Europas wird die Wichtigkeit der datengetriebenen Kultur in UK und Irland mit 7,8 am höchsten bewertet, in der DACH-Region mit 5,9 dagegen am niedrigsten (Zahlen 2020; n=2.637). Auch die Betrachtung nach Branchen zeigt Unterschiede in der Bewertung: Der Groß- und Einzelhandel liegt mit 7,3 an der Spitze, die IT-Industrie mit 7,0 etwas darunter, während das verarbeitende Gewerbe mit 6,5 die datengetriebene Kultur am wenigsten wichtig einschätzt, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Einschätzungen der datengetriebenen Kultur je nach Unternehmensgröße liegen dagegen näher beieinander. Unternehmen mit mehr als 2.500 Mitarbeitenden bewerten die Wichtigkeit mit 7,1, Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitenden mit 6,8 und Unternehmen mit 100 bis 2500 Mitarbeitenden mit 6,7.
Nach wie vor der wichtigste Trend ist Stammdaten- und Datenqualitätsmanagement. Diese Position belegt das Managen der Daten bereits seit fünf Jahren hintereinander. Die Stabilität dieses Trends zeige, so BARC, dass die Relevanz einer guten Datenqualität deutlich höher sei als die anderer Trendthemen, die in den Medien viel breiter präsent seien. Viele Unternehmen räumten ihrem Stammdaten- und Datenqualitätsmanagement einen hohen Stellenwert ein, weil sie ihre Ziele noch nicht erreicht hätten. Dies decke sich mit den Ergebnissen anderer BARC-Umfragen, die immer wieder zeigten, dass Unternehmen mit unzureichender Datenqualität als Hürde für eine bessere Nutzung von Daten kämpften. „Stammdaten- und Datenqualitätsmanagement werden daher weiterhin sehr wichtig bleiben und stehen auch im Zusammenhang mit der ebenso stabilen Bedeutung von Data Governance“, schreibt BARC. Wie wichtig unternehmensinterne Richtlinien für den Umgang mit Daten sind, zeigt der Umstand, dass Data Governance 2022 Rang drei unter den wichtigsten Trends einnimmt, nach Platz vier in den Jahren 2018 bis 2021. „Das Gesamtbild zeigt, dass sich die Unternehmen auf die Grundlagen der Nutzung und des Managements ihrer Daten konzentrieren“, sagt BARC-Chef Bange. Dass die datengetriebene Kultur immer mehr an Bedeutung gewinne, lasse sich durch das steigende Bewusstsein erklären, dass die Förderung einer Datenkultur für Unternehmen, die ihr volles Datenpotenzial ausschöpfen wollten, unerlässlich sei.
Zwar haben zahlreiche Unternehmen viel in ihr Datenmanagement investiert, gleichwohl geben 87 Prozent der 419 Befragten im BARC-Survey „Leverage your Data“ im Jahr 2020 an, dass sich ihre Unternehmensergebnisse deutlich verbessern könnten, wenn sie den Umgang mit Daten weiter verbessern würden. Als Hindernisse für eine datengesteuerte Kultur erweisen sich regelmäßig folgende Punkte:
Mit dem „Data Culture Survey 22“ sind die BARC-Analysten der datengetriebenen Kultur weiter auf den Grund gegangen. Basierend auf einer Nutzerbefragung von 434 Unternehmen untersucht die Studie, welche Vorteile Unternehmen bei der Implementierung einer Datenkultur anstreben und welche Initiativen sich als wertvolle Schritte auf dem Weg zu einem datengetriebenen Unternehmen erweisen. Die Untersuchung zeigt deutlich, dass der Anteil der Unternehmen mit teilweise oder ausschließlich datengesteuerten Entscheidungen erheblich zugenommen hat. Dass sie ihre Entscheidungen auf der Basis von Daten treffen, sagten 2014 lediglich 14 Prozent der befragten Unternehmen, 2020 waren es bereits 25 Prozent, 2021 gar 34 Prozent. Ausschließlich auf Erfahrung gründeten 2014 noch 58 Prozent der Befragten ihre Entscheidungen; 2020 war dieser Anteil auf 21, 2021 auf 19 Prozent gesunken. Der Anteil der Unternehmen, bei denen Entscheidungen etwa je zur Hälfte auf Erfahrung und auf Daten fußen, stieg von 28 Prozent im Jahr 2014 auf 54 Prozent im Jahr 2020; 2021 lag dieser Anteil bei 47 Prozent. Diese Zahlen zeigen: Daten werden als Grundlage für Entscheidungen in Unternehmen immer wichtiger. Dies spiegelt sich auch in der Datenkultur wieder. Auf die Frage, welche Erwartungen die Befragten an die Datenkultur hätten, nannten sie an erster Stelle eine verbesserte Entscheidungsfindung (73 Prozent), gefolgt von kontinuierlichen Prozessverbesserungen, die auf Daten basieren (61 Prozent) und Kostensenkungen (60 Prozent). Umsatzwachstum und Wettbewerbsvorteile belegen mit jeweils 55 Prozent der Nennungen die Plätze vier und fünf.
Auf dem Weg zu einer Datenkultur, in der Entscheidungen weniger auf der Basis von Erfahrung oder Bauchgefühl, sondern überwiegend auf datenbasierten Fakten getroffen werden, gibt es einige hilfreiche Maßnahmen, die vor allem die Führung im Unternehmen betreffen. Die Vorbildfunktion von Führungskräften steht hier an erster Stelle (64 Prozent). Sie müssen besonders darauf achten, die Datenkultur selbst zu verkörpern – und dann auch die von Farmer angesprochene Accountability für sich selbst akzeptieren. Auch die Einführung einer Meeting-Kultur, bei der Daten eine wesentliche Rolle spielen, gehört in diesen Zusammenhang (59 Prozent). Dass die Datenstrategie klar formuliert und kommuniziert wird (58 Prozent) und ausreichend Ressourcen für die Aus- und Weiterbildung in Sachen Data & Analytics verfügbar sind (56 Prozent), sind weitere Schritte zur Entwicklung einer Datenkultur.
Christian Sohn, Geschäftsführer der Zetvisions. Veröffentlicht im S@pport-Magazin, Ausgabe 6/2022.